Wer mit dem Motorrad in, oder durch, Zentralasien reisen möchte, sieht sich schon während der Planung mit vielen Fragen konfrontiert. Ich war von März bis Juni 2016 mit dem Motorrad von Deutschland in die Mongolei unterwegs und hatte am Anfang auch mehr „Hä?“ als „Ah!“. Ein Teil der gefundenen Antworten, geläutert durch die Realität, findet sich in diesem (zweiteiligen) Beitrag.

Amuse-Gueule – Internet und Bücher

Reiseberichte für Zentralasien gibt es im Internet einige, wobei deren Informationsdichte naturgemäß meistens zugunsten der Erlebnisse in den Hintergrund tritt. Beste Anlaufstellen im Netz, besonders für spezielle Fragen, sind die einschlägigen Reise- und Motorradforen. Gedruckte Reiseführer für Zentralasien sind in überschaubarer Anzahl auch vorhanden, aber oft wegen der unüblichen Ziele nicht auf dem neusten Stand.

  • Horizons Unlimited (Web): Die Community schlechthin für Motorrad-Fernreisende. Sollte eigentlich jeder kennen, der bereits „Motorrad“ und „Reisen“ in einem Satz gesagt hat. Extrem hilfreiches und aktives Forum (Hubb).
  • Caravanistan (Web): Reisemagazin mit Schwerpunkt auf den Ländern der Seidenstraße. Hohe Detailtiefe und Aktualität sowie ein inspirierender redaktioneller Bereich.
  • Lonely Planet Central Asia (Buch – ISBN-10: 1741799538): Kompakte Information zu den zentralasiatischen Ländern. Für eine Durchreise vollkommend ausreichend und hilfreich. Leider existiert aktuell nur die Auflage von 2014. Einige Informationen, insbesondere bei Unterkünften und Essensgelegenheiten, sind deswegen ziemlich überholt.
  • Lonely Planet Mongolia (Buch – ISBN-10: 1742202990): Auch hier gibt es im Moment nur die Auflage von 2014, für die Planung reicht es aber alle Mal. Selbst wenn es auf der Karte im Buch übersichtlich aussieht – die Mongolei ist, nach Kasachstan, der zweitgrößte Binnenstaat der Welt und hat einen großen Off-Road Anteil. Also lieber ein bisschen mehr Zeit für die Etappen einplanen.

 

Red Tape Mayhem – Visa und andere Papierchen

Du fährst zum Großteil durch ehemalige Sowjetrepubliken. Wer den kalten Krieg (noch) mit erlebt hat, kann sich in etwa vorstellen, was da auf ihn zukommt. Zur Beruhigung: Wenn der Amtsschimmel wiehert, kann es durchaus anstrengend werden, aber die Zeiten in denen man in eine schimmelige Verhörzelle gesperrt und von netten Menschen mit Gummihandschuhen unter gleißenden Schreibtischlampen befragt wird, gehören der Vergangenheit an.

  • Visa: Auf meiner Route habe ich nur zwei Visa gebraucht: Russland und Usbekistan. Trickreich war dabei das Russland Visum. Ein normales Touristenvisum erlaubt zwei Ein- und Ausreisen nach Russland. Wer mehr braucht, kommt um ein Businessvisum nicht herum. Da die Beantragung recht kompliziert ist, unter anderem wird eine Einladung aus Russland gebraucht, habe ich eine Visaagentur eingeschaltet. Nachdem die zuerst angefragten schon mit der Situation „Mit dem Motorrad von Deutschland in die Mongolei“ komplett überfordert waren, habe ich mit Visum 4 You eine äußerst kompetente Agentur gefunden.
  • Carnet de Passage: Auf meiner Route habe ich kein Carnet De Passage gebraucht. Wer über den Iran fährt kommt um dieses Zolldokument, das die vorübergehende, zollfreie Einfuhr eines Fahrzeuges ermöglicht, leider nicht herum. In Deutschland bekommt man das Carnet und alles Wissenswerte dazu beim ADAC.
  • KFZ-Versicherung/Grüne Karte: Der Versicherungsschutz wird von Gesellschaft zu Gesellschaft anders gehandhabt. Bei meinem (deutschen) Versicherer konnte ich für den asiatischen Teil der Türkei eine Zusatzversicherung abschließen, für Russland war die Gültigkeit durch die geographischen Grenzen Europas (dem Ural-Fluss) definiert. Versicherungen außerhalb der Gültigkeitszone der Grünen Karte bekommt man in der Regel an den Grenzen; einfach nach kleinen Buden schauen bei denen die LKW-Fahrer anstehen. Ohne Versicherung geht es sicher auch, aber man sollte sich aber darüber klar sein, dass die normale Landespolizei einen fehlenden Versicherungsschutz durchaus auch als persönliche Einnahmequelle ansieht.
  • Langzeitreiseversicherung: Die Standard Reiseversicherungen decken meistens nur einen Zeitraum von 30 Tagen ab. Wer länger unterwegs ist, benötigt eine spezielle Langzeitversicherung. Ich hatte die Langzeitversicherung des ADAC, habe aber auch keinen großen Aufwand betrieben um die optimalste Lösung zu finden. Wichtig war mir der Rücktransport per Flugzeug im Falle eines Falles und die Ausstellung der englischen Versicherungsbestätigung inklusive der Deckungssumme für Russland.
  • Sonstige Papiere: Fahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung Teil I), Führerschein (national und international), Impf- und Reisepass. Mehr hatte ich nicht dabei und auch nicht gebraucht. Eine Satz Kopien plus Scans der Unterlagen die man sich selber per E-Mail schickt, kann bei Verlust Nerven schonen.

You Tube Video: Broken Roads – from Finland to Mongolia on a motorcycle [Foto ©  jyrifilms]

Reng Deng Deng – Motorrad

Ich war mit einer bestollten Honda Transalp, Baujahr 1994, unterwegs. Die „Transe“ hat die 18.000 Kilometer problemlos durchgestanden und sang- und klanglos nur Benzin und Öl geschluckt. Wer die Hilfe eines Motorrad-Doktors benötigt, findet bei den Asia Waypoints (Kapitel: Navigation in Zentralasien) einige Anlaufstellen, ansonsten gibt es zumindest in den großen Städten Mechaniker die Dinge zu Stande bringen, bei denen in Europa nur noch abgewunken wird. Bis auf die Mongolei kann man im Prinzip durchgehend auf Asphalt, in den verschiedensten Auflösungszuständen, fahren.

Reifen

Ich habe auf die bewährten  Heidenau K60 Scout gesetzt, die ich vor der Tour neu aufgezogen habe. Getauscht habe nach 15.000 Kilometern (fast nur Asphalt) in Barnaul (Russland), wobei sicher noch ein paar Kilometer mehr möglich gewesen wären. Mit den Laufeigenschaften (Nassgrip, Traktion) war ich voll und ganz zufrieden, wobei ich von schneebedeckter Fahrbahn um die 0° bis verspurter Sandpiste und Umgebungstemperatur von 35° fast die komplette Bandbreite hatte. Der TKC80 von Continental ist sicher auch keine schlechte Entscheidung, allerdings war ich in der Vergangenheit mit der Langlebigkeit nicht wirklich zufrieden.

Heidenau K60 Scout - nach 15.000 Kilometer immer noch Reserven (getauscht wurden sie trotzdem)

Neue Reifen konnte ich problemlos über Denis (Dean) Panferov von Motorezina in Russland bekommen. Dean kann in jede größere Stadt in Russland Reifen liefen und einen Kontakt für die Montage bereitstellen. Die Bezahlung erfolgt unkompliziert über Paypal. Bei der Planung sollte man eine gewisse Vorlaufzeit für die Lieferung mit berücksichtigen. Kontakt:  buy[at]motorezina.ru – Telefon: +7-925-507-9530 – Internet: www.facebook.com/motorezina.ru

Tanken

Ab der Türkei ostwärts ist es üblich, dass man vor dem Tanken bezahlt. Einfach genügend Geld durch das vergitterte Fenster reichen und schon fließt der Lebenssaft für den fahrbaren Untersatz. Manchmal funktioniert auch „polnyy“ (полный, „voll“ auf Russisch) um ohne Vorkasse tanken zu können. Tanken solltest Du immer selber, da das Rückschlagventil am Zapfhahn des Öfteren nicht funktionieren.

 

Wo bin ich nochmal? – Navigation in Zentralasien

  • Asia Waypoints: Im Forum von Horizons Unlimted gibt es einen Thread in dem es eine ständig aktualisierte Waypointliste (Garmin GDB-File), hauptsächlich aus Russland, Zentralasien und der Mongolei, gibt. Die aktuellste Version ist im ersten Beitrag des ellenlangen Threads zu finden.  Es sind mehr als 2.000 Waypoints, was die Kapazität von manchen Navis übersteigt. Entweder die Anzahl, z.B. über das kostenlose Garmin Basecamp, reduzieren oder in POIs umwandeln.
  • Routen in der Mongolei: In dem Tempo wie gerade in der Mongolei Straßen gebaut werden, wird es nicht mehr lange dauern, bis man von Ölgii bis Ulan Bator auf Teer reisen kann (Keine Panik – es bleiben noch genügend Off-Road Strecken übrig). Im Forum der Motorradkarawane hat Klausmong1 einen hervorragenden Beitrag zu den Routen in der Mongolei gepostet.
  • Archies Camping POI-Liste: Campingplätze, so wie wir sie in Europa kennen, sind in Zentralasien unbekannt. Wild campen ist, bis auf Usbekistan wegen der Registrierungspflicht, allerdings kein Problem, sofern man es nicht in Grenznähe oder anderen Sperrzonen macht. Für Europa gibt es von Archie aus den Niederlanden (klar, oder?) eine kostenlose POI-Liste von Campingplätzen mit über 30.000 Einträgen
  • Herkömmliche Karten: Als analoges Backup und zur Übersicht habe ich immer Karten aus der World Mapping Project-Serie des Reise Know-How Verlages dabei. Durch das verwendete Material sind die Karten praktisch nicht kaputt zu bekommen.
    • Reise Know-How Landkarte Russland – vom Ural zum Baikalsee (1:2.000.000): ISBN-10: 9783831773794
    • Reise Know-How Landkarte Mongolei (1:1.600.000): ISBN-10: 3831773033
    • Reise Know-How Landkarte Zentralasien (1:1.700.000): ISBN-10: 383177367X
    • Reise Know-How Landkarte Kasachstan (1:2.000.000): ISBN-10: 9783831773633

 

Open! Open! – Zoll und Grenzübertritte

Vor den Grenzübertritten hatte ich am meisten Respekt, nicht zuletzt auch wegen einiger unschöner Geschichten über die ich gelesen hatte. Die Realität sah aber wie immer ganz anders aus. An allen Landesgrenzen nach der Türkei wurde professionell gearbeitet und sehr oft bekam ich einen Englisch sprechenden Zöllner an die Seite der mir durch die Formalitäten durchgeholfen hat. Russisch-Kenntnisse sind sicher nicht schlecht, es geht aber auch ohne. Gepäckkontrollen gibt es praktisch immer, ein paar Stunden Zeit solltest Du daher mitbringen, schließlich sind es zwei Grenzposten durch die Du durch musst. Die Mittagspause nehmen übrigens alle ernst – wer um diese Zeit eintrifft steht in der Regel vor leeren Schaltern, unter Umständen wegen der Zeitverschiebung gleich zweimal.

  • Eurasische Wirtschaftsunion (Eurasian Economic Union): Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss aus fünf Staaten im Nordosten Eurasiens (Russland, Kasachstan, Kirgistan, Weißrussland und Armenien) zu einem Binnenmarkt mit Zollunion. Der Großteil dieses Gebildes ist für Reisende uninteressant, wichtig wird es beim Zoll. Beim Betreten der Union wird einmalig eine Zolldeklaration ausgefüllt, beim Landeswechsel innerhalb der Wirtschaftsunion muss man es nur vorzeigen und hat keine Zollabfertigung mehr. Beim Verlassen der Wirtschaftsunion wird das Formular wieder eingefordert und wer es nicht mehr hat, darf sich auf den Satz freuen den wir alle so lieben: „Big problem!“ – also besser NIE NICHT verlieren. Das Formular gibt es auch in Englisch, beharrliches Nachfragen hilft, wenn man nur ein Exemplar in Kyrillisch bekommt.
  • Usbekistan: Das speziellste Land in Zentralasien was Zoll und Grenzübertritte angeht, ist mit weitem Abstand Usbekistan. Auf Caravanistan gibt es ausführliche Information dazu. Du solltest bei den Themen Medikamente (das Auswärtige Amt hat hierzu auch einiges zu sagen), Bücher (auch E-Books) und Handy, bzw. Laptop, absolut sauber sein, sonst wird es unter Umständen ein längerer Aufenthalt an der Grenze.

 

Aktualität und dein Beitrag

Die Informationen in diesem Artikel sind nach besten Wissen und Gewissen, allerdings ohne Gewähr, zusammen gestellt (Stand: Ende 2016). Wenn Du Fehler findest, oder weitere Tipps hast, schreib mir einfach in den Kommentaren oder direkt über das Kontaktformular. Danke für Deine Hilfe!

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