Entspannen kann so einfach sein. Ein lichtdurchfluteter Raum, durchzogen vom zarten Nebel glimmender Räucherstäbchen. Leise vor sich hin plätschernde Entspannungsmusik, das sanfte Aufseufzen einer Klangschale. Friede und Entspannung. Diese Erfahrung ließ sich am zweiten Juni-Wochenende machen – allerdings nicht auf dem Erzbergrodeo.
Die härteste und größte Extremenduro-Veranstaltung der Welt hatte nur das Kontrastprogramm im Angebot: Brüllende Motoren, wabernde Abgase, viel Staub und vor allem jede Menge Action. Bereits seit 1995 fasziniert das Spektakel in brachialer Bergbaukulisse Aktive und Zuschauer gleichermaßen. Der Ruf als das Hartendurofest schlechthin hat sich in der Zwischenzeit bis in den letzten Winkel der Welt herumgesprochen. Aus 50 Nationen, darunter erstmals die Mongolei und Thailand, rekrutierte sich heuer das Teilnehmerfeld. Das Schöne daran: Teilnehmen kann grundsätzlich jeder. Nur schnell mit der Maus sollte man sein, um einen der begehrten Starterplätze über das Internet zu ergattern.
Dieses Jahr traten knapp 1.400 Enduristi auf dem weitläufigen Areal an, um sich miteinander und gegen den „Berg aus Eisen“ zu messen. Serviert wurde dabei die gleiche Tortur wie in den vergangenen Jahren. Aussieben der schnellsten Teilnehmer an den Prologtagen – abkämpfen im Finale auf einem unbarmherzigen Rundkurs. Manuel Lettenbichler (DE, KTM) errang bei der 27. Auflage des Anti-Wellness-Wochenendes mit 2:31 Stunden seinen zweiten Sieg beim Erzbergrodeo und gewann klar vor Billy Bolt(UK, Husqvarna) und Trystan Hart (CAN, KTM). Von den ursprünglich 500 Finalisten schafften es lediglich 17 innerhalb der vorgegebenen Zeit von vier Stunden ins Ziel.
Traditionell startete das Erzbergrodeo am Donnerstag mit dem Rocketride. Bei dem spektakulären Steilwandrennen über vier Abbaustufen des Erzbergs holte Paul Seyr (AUT, KTM) den Felspokal nach Österreich. All Time Favorit Ossi Reisinger konnte nicht an seine bisherigen Höchstleistungen und fünf Siege anknüpfen und schied glücklos im Viertelfinale aus.
Freitag und Samstag standen ganz im Zeichen des Prologs, aus dem sich nur die 500 schnellsten Fahrer für das Finale qualifizierten. Auf der kernigen Schotterstrecke über die Trassen des Tagebaus zählte nur eins: Vollgas und fahrerisches Können am Limit. Dem sich ständig ändernden Umfeld in einem aktiven Bergbauareal war es auch geschuldet, das dieses Jahr Bergab-Passagen den Adrenalinspiegel bei allen Fahrern auf Unterlippenniveau hielten. Erzberg-Neuling Andrea Verona (ITA, Gasgas) ließ sich davon nicht beirren und fräste mit 10:06 Minuten die Bestzeit auf die Piste.
Der Sonn- und Finaltag bot bei größtenteils bedecktem Himmel ideale Wetterbedingungen für die verbliebenen Stollenathleten. Nach einem undramatischen Start entzerrte sich das Geschehen zügig und entwickelte sich zu einem Zweikampf zwischen Lettenbichler und Bolt. Einige Führungswechsel später setzte sich „Letti“ durch und konnte mit 11 Minuten Vorsprung auf Bolt abschließen. Er baut damit seine Poleposition in der FIM Hard Enduro WM weiter aus und führt nach 2 Wertungsläufen mit 12 Punkten vor Trystan Hart.
Bei all den Anstrengungen kam auch das Feiern nicht zu kurz. Neben den überbordenden Aktivitäten im Festzelt der Start- und Zielarena gehörte der Sturm auf Eisenerz zu den Höhepunkten des Alltagsdetox. In einem ausgelassenen Lindwurm zog dabei ein Korso mit 2.000 Teilnehmern durch die Kleinstadt am Fuße des Erzbergs.