Egal wie ich mich auf meiner Isomatte herumwinde,  es bohrt sich immer wieder ein Stein in meinen Rücken – eigentlich auch kein Wunder, wenn der „Campingplatz“ eine freigeschobene Trasse im größten Eisenerztagebau Europas ist. Nach 30 Stunden ohne Schlaf sollte ich zwar problemlos auf einer Stacheldrahtrolle einnicken können, aber das Erzbergrodeo hat mich jetzt schon komplett in seinen Bann gezogen und lässt mich nicht zur Ruhe kommen.

Ich gebe die Revitalisierungsversuche auf und beginne meine Fotoausrüstung zusammen zu suchen. Medialeibchen und Presseausweis finden sich nach intensiver Suche, die immerhin auch eine kalte Dose Bier zu Tage fördert, auch wieder und so gondele ich kurze Zeit später mit einem der Pendelbusse die holprige Piste hinunter zum Brennpunkt des Geschehens.

Der Einsatz von Bussen lässt erahnen, dass das Erzbergrodeo nicht nur eine Wald-und-Wiesen Enduroveranstaltung ist, sondern ganz großes Kino. 1.600 Fahrer mit 4.500 Begleitpersonen, 800 Crewmitarbeiter und 40.000 Zuschauer über vier Tage machen das Erzbergrodeo zur weltweit größten Extrem-Enduroveranstaltung. Schon der Veranstaltungsort wirkt total surreal – zusammen mit Tausenden von Motocross Freaks entsteht hier für vier Tage eine eigener Kosmos mitten in der Steiermark, im Herzen von Österreich.

Erzbergrodeo 2015

Neben dem eigentlichen Hauptrennen, dem Red Bull Hare Scramble, gibt es noch einige andere Veranstaltungen bei den ich mich als Fotograf austoben konnte. Bei Kärcher Rocket Ride handelt es sich um ein Hillclimbing Sideevent das gleich über vier der Abbaustufen die Fahrer forderte. Der Generali Iron Road Prolog war die Qualifizierungsrunde für die 1.600 Fahrer aus 38 Nationen die dabei die 13 Kilometer lange Schotterstrecke zum Erzberggipfel so schnell wie möglich zurücklegen mussten.

Nur die besten 500 (Das ist Sparta!)  durften dann beim Hare Scramble zeitversetzt in zehn Gruppen am tiefsten Punkt des Tagebaus starten. Die Atmosphäre kurz vor dem Start ist unbeschreiblich und verschafft mir ein gutes halbes Jahr danach immer noch Gänsehaut. Nach dem „Engines Off“ Kommando herrschte eine fast gespentische Stille in dem Kessel die jäh durch Tiefflug eines Kunstfliegers über das Starterfeld unterbrochen wird. Gleichzeitig mit dem Überflug fällt die Startflagge und die erste Starterreihe fegte los. Danach…  Apokalypse dürfte wohl eines der Wörter sein, die das Geschehen, wenn auch nur annähernd, am besten beschreibt.

Erzbergrodeo 2015

35 Kilometer rund um den Erzberg waren zu meistern und 23 Checkpoints zu passieren. An den ersten acht Checkpoints durften die Zuschauer noch helfen, was sich im Lauf der Jahre zu einem regelrechten Volkssport entwickelt hat. Danach waren die Fahrer auf sich alleine gestellt. An einem der letzten Checkpoints (Downtown) ging dann gar nichts mehr, für die kleine Spitzengruppe ging es weder vor noch zurück. In einer beispielslosen Teamaktion wuchten, zerrten und schoben Jonny Walker (UK, KTM), Andreas Lettenbichler (GER, KTM), Alfredo Gomez (ESP, Husqvarna) und Graham Jarvis (UK, Husqvarna) sich und ihre Maschinen durch die grüne Hölle des Waldstückes. Was danach kam, war wahrer Sportsgeist und ist in den 21 Jahre des Erzbergrodeos noch nie vorgekommen. Gemeinsam überfuhr man die Ziellinie – mehr Drama ging wirklich nicht.

Für mich als Fotograf war das Erzbergrodeo das absolute Highlight der Saison das problemlos das Zwarte Cross deklassierte. Herumfliegender Dreck, Menschen und Motorräder im freien Fall – herrlich. Zudem war das Ganze für die Presse perfekt von Erzbergrodeo-Pressesprecher Martin Kettner und seinem tollen Team organisiert.

Nur mit meiner Kleidungswahl lag ich etwas daneben. In den vergangenen Jahren waren Sturm, Regen und teilweise auch Schneefälle keine Seltenheit. Meine Winterjacke samt Handschuhen und Mütze konnte ich aber über die gesamte Zeit im Auto liegen lassen. Jeden Tag strahlender Sonnenschein mit Temperaturen weit jenseits der 30°. Glücklicherweise hatte ich aber noch Sonnencreme LSF 50 eingepackt, zusammen mit dem allgegenwärtigen Staub konnte ich das Lebensgefühl einer Wiener Schnitzels problemlos nachempfinden. [Text und Fotos: Stefan Thiel @ www.stefan-thiel.info]